Das Nachholen von Klassikern ist eine schwierige Angelegenheit. Handelt es sich um Spiele in 2D, ist die Chance auf Spielspaß noch relativ hoch. Mitunter kommt gar ein Gefühl für die Faszination auf, die der Titel vor einer halben Ewigkeit verströmte. Im 3D-Bereich ist die Fallhöhe dagegen riesig. Was vor 25 Jahren DER technische Shit war, sieht heute nur noch beschissen aus. Von den spielerischen Gebrechen fangen wir gar nicht erst an.
Bei ihrem Erscheinen in den Neunzigern waren Resident Evil, Metal Gear Solid oder Final Fantasy VII absolute Must-Haves. Sie zementierten den Ruf der Playstation als coole und erwachsene Konsole. Entwickler nutzten die Möglichkeiten von Hardware und Disc-Speicher für aufwändige Spielwelten, orchestrale Soundtracks samt Sprachausgabe und beeindruckende Rendersequenzen. Vom Glanz dieser Tage ist nichts mehr übrig, weil sich die Technik rapide weiterentwickelt hat. Was damals optisch aufwändig und spielerisch innovativ war, lässt einen inzwischen höchstens müde lächeln. Das gilt auch für die vorliegenden Soul-Reaver-Titel.
Ein frischer Anstrich
Teil eins erschien 1999 für die Playstation und Segas Dreamcast, zwei Jahre später kam der Nachfolger für die Playstation 2 und den PC heraus. Lang, lang ist’s her! Darum musste vor allem grafisch etwas getan werden. Entwickler Aspyr verpasste beiden Spielen neue Texturen in 4K, 60 Bilder pro Sekunde und eine präzisere Steuerung. Wie sehr der frische Anstrich das Erscheinungsbild aufwertet, lässt sich mittels Druck auf den rechten Stick erkennen: Auf diese Weise darf jederzeit zwischen dem neuen und dem (immerhin scharfen) alten Look gewechselt werden. So wird aus einem Brei an der Wand im Handumdrehen eine halbwegs ansehnliche Steinmauer.
Nur halbwegs? Leider ja. Weil die neuen Grafik-Tapeten gewissermaßen über die alten "geklebt" wurden, gab es wenig Spielraum für weiter reichende Verschönerungen. Detaillierte Strukturen sucht man ebenso vergebens wie Wölbungen oder Vertiefungen, die etwa den Böden mehr Struktur und Glaubwürdigkeit verleihen würden. Ebenso bleiben die technischen Einschränkungen erhalten, die der ursprünglichen Hardware geschuldet waren.
In Soul Reaver verschwinden Objekte schon auf mittlere Distanz im Dunkel oder Nebel, Gegner bewegen sich nur in strikt festgelegten Bereichen und obgleich (auf der PS5) Ladezeiten fehlen, kommt man nicht ohne die entsprechenden Sequenzen, allen voran das behäbige Öffnen von Türen, durchs Spiel. Nach dem Laden des Spielstands beginnt ihr stets im allerersten Raum und müsst euch anschließend via Teleporter und Lauferei ins jeweils aktuelle Gebiet bewegen. Eine moderne Schnellspeicherung mit Neustart an Ort und Stelle fehlt leider. Im größeren und ansehnlicheren Nachfolger muss man darauf zwar ebenfalls verzichten, doch das lässt sich angesichts regelmäßiger Rücksetzpunkte und Speicherstationen locker verschmerzen.
Kein Frieden für die Seele
Im Mittelpunkt beider Spiele steht Raziel. Zu Beginn des ersten Teils wird der stolze Vampirfürst von seinem Meister Kain hintergangen und umgebracht. Doch eine antike Gottheit belebt Raziel mit neuen Kräften wieder und macht ihn zu einem Racheengel, der Kain erledigen und somit das Land Nosgoth von dessen Schreckensherrschaft befreien soll. Dabei hilft Raziel der Soul Reaver, eine magische Waffe, die mit ihm verbunden ist. Aber diese Macht hat ihren Preis: Fortan muss sich Raziel die Seelen besiegter Feinde einverleiben, um bei Kräften zu bleiben.
Das ist doppelt wichtig, denn nur solange er seine volle Gesundheit besitzt, kann Raziel zwischen der materiellen Welt und ihrer spektralen Ebene wechseln. Letztere gleicht der normalen weitgehend, konfrontiert Raziel jedoch mit anderen Feinden und eröffnet ihm neue Pfade. Dementsprechend ist der Wechsel das zentrale Spielelement: Nicht nur bei Sprungeinlagen, sondern auch im Zusammenhang mit den Schiebe- und Schalterrätseln geht es regelmäßig hin und her.
An manchen Stellen braucht man ein wenig Zeit, um auf die Lösung zu kommen. Mitunter wird auch der Weg ins nächste Gebiet zur Herausforderung, zumindest für jüngere Semester. Eine detaillierte Karte oder gar die Führung zum nächsten Ziel gab und gibt es nicht. Ich finde das erfrischend, weil ich zumindest ansatzweise den Grips anstrengen oder das Erinnerungsvermögen bemühen muss. Auf welchem Weg gelange ich auf die andere Seite der Schlucht? Wohin muss diese Kiste verschoben werden, um das Rätsel zu lösen? Solche klassischen Herausforderungen funktionieren nach wie vor.
Die Action spielt in Soul Reaver nur eine Nebenrolle. Zum Glück, denn die Kämpfe nerven mich sehr! Stumpfes Draufhauen reicht durchweg aus und trotz Anvisieren schlage ich häufig an den Monstern und Geistern vorbei. Leider ist das Kloppen ein notwendiges Übel, weil Raziel nun mal regelmäßigen Seelen-Nachschub braucht. Aber ich bin heilfroh um jeden Kampf, dem ich ausweichen kann.
Das exakte Gegenteil stellen die Bosse dar. Gegen die riesigen Kreaturen bringt der übliche Waffeneinsatz überhaupt nichts. Vielmehr findet sich der Schlüssel zum Sieg in der Umgebung, etwa in Form einer Falle, die Raziel auslösen kann. Obgleich die Auseinandersetzungen an sich leicht ausfallen, finde ich ihre Aufmachung immer noch klasse. Zudem stellt jede der grotesken Kreaturen eine wichtige Station in der Story dar und gewährt nach dem Sieg eine Fähigkeit, die mir beim Weiterkommen hilft.
Der Rachefeldzug geht weiter
Soul Reaver 2 setzt direkt nach den Geschehnissen des Vorgängers ein und führt dessen Geschichte fort. Raziel sieht sich alten und neuen Bedrohungen gegenüber, denen er diesmal in unterschiedlichen Zeitlinien gegenübertreten muss. Wieder mit dabei sind der Wechsel zwischen materieller und spektraler Ebene sowie der Reaver, dessen neue Elementarkräfte ein wichtiges Spielelement darstellen.
Leider hielt sich Aspyr hinsichtlich der grafischen Auffrischung von Soul Reaver 2 zurück. Beim Umschalten via Stick-Klick bekomme ich zwar einen kräftig überholten Raziel, aber überwiegend nur die ursprünglichen Umgebungstexturen in höherer Auflösung zu Gesicht. An einigen Stellen muss ich meine vier Augen richtig anstrengen, um Verbesserungen festzustellen. Ein paar Details hier, etwas intensivere Farben da – mehr ist es kaum.
Das größere Problem stellt jedoch der grundsätzliche Spielablauf dar. Verglichen mit dem Vorgänger wird wesentlich häufiger gekämpft. Mit seinem Reaver und einer Handvoll weiterer Waffen beharkt Raziel Soldaten, Echsen und andere Kreaturen. Das klappt dank einer klar erkennbaren Zielaufschaltung besser als im ersten Teil, aber keinesfalls gut. Der Ex-Vampir reagiert auf Streckbewegungen etwas träge und ungenau. Jeder Kampf besteht aus hakeligem Angreifen, Blocken und Ausweichen. Selbst größere Brocken setzen auf dieses langweilige Prinzip. Von ähnlich clever inszenierten Bosskämpfen wie im ersten Teil fehlt jede Spur.
Zwar gibt es einige gelungene Rätsel und Herausforderungen, bei deren Lösung die neuen Elementarkräfte des Soul Reaver wichtig sind. Dazwischen liegen jedoch viel zu viele Kloppereien mit Feinden, die aus heutiger Sicht strunzdumm agieren. Zu allem Überfluss spawnen sie auch noch ständig neu! Der Fokus auf Action steht Soul Reaver 2 überhaupt nicht und macht es zum schlechteren Spiel, trotz insgesamt stärkerer Technik.
Gelungene Bonusinhalte
Die Spiele können nicht überzeugen, aber vielleicht die dazugehörigen Bonusinhalte. Mit dabei sind eine ganze Reihe von Fanart, Cosplay-Fotos sowie offiziellen Konzept- und Rendergrafiken. Wesentlich informativer fallen die Texte zur Hintergrundgeschichte der Spielwelt Nosgoth und ihrer Ereignisse aus, die chronologisch aufgeführt werden. Darunter befinden sich auch sämtliche Texte, die in beiden Spielen gesprochen werden. Passend dazu gibt es witzige Video-Outtakes von den damaligen Aufnahmen im Studio. Ebenfalls anschauen könnt ihr euch altes Demo-Gameplay zu Soul Reaver 2 und die Intros sowie Abspänne der Spiele. Zum Anhören gibt es alle Stücke des Soundtracks in guter Qualität.
Am interessantesten sind die spielbaren Versionen von Bereichen, die es nicht in die finale Version von Soul Reaver geschafft haben. Darunter finden sich Erweiterungen für bestimmte Gebiete im Spiel oder auch Schmieden mit Elementar-Verbesserungen für den Reaver. Mehr als Herumlaufen und Schauen ist zwar nicht drin, aber dennoch geben diese “verlorenen Levels” einen Eindruck davon, wie umfangreich Soul Reaver ursprünglich einmal werden sollte.
Die Remaster von Legacy of Kain: Soul Reaver 1 + 2 sind in Kürze für die PlayStation erhältlich.
… ihr die beiden Klassiker liebt und euch geringfügige Verbesserungen ausreichen.
… ihr die Originale nicht kennt und auf zeitgemäße Remakes gehofft habt.
Fazit
von Sascha Göddenhoff
Nur für große Soul-Reaver-Fans einen Blick wert
Ich habe gute Erinnerungen an das Soul-Reaver-Duo. Vor allem der erste Teil war damals ein absolutes Brett in Sachen Aufmachung und Erzählung. Düstere Story, starke Synchro, gruselige Level und der Kniff mit dem Ebenenwechsel – es gab einige sehr gute Gründe, mit Raziel auf Rachefeldzug zu gehen. Was damals spitze war, ist heute allerdings schwer zu verdauen. Zu hakelig spielen sich die Kämpfe und Sprungpassagen, zu selten sind Story-Einlagen und große Momente. Schönere Texturen helfen halt nur der Optik, aber nicht dem Spielablauf.
>> Alt, aber noch immer gut: 10 Playstation-Klassiker für die PS5 <<
Als Kenner des Originals kann ich nachvollziehen, wie besonders Design, Ablauf und Geschichte für damalige Verhältnisse waren. Völlig zu Recht räumte der Titel reihenweise Top-Wertungen ab. Dennoch musste beim Remaster die Nostalgie-Brille mit den ganz dicken Gläsern her, denn selbst verglichen mit heutigen B-Produktionen macht der einstige Vorzeige-Titel nichts mehr her. Der technisch aufgebohrte Nachfolger steht besser da, unter anderem aufgrund regelmäßiger Speicherpunkte und mehr visueller Abwechslung. Die trägen Kämpfe nach dem immergleichen Schema empfinde ich heutzutage allerdings als Zumutung und Killer für den Spielspaß.Nein, ich kann beim besten Willen keine Empfehlung für diese Remaster aussprechen. Sie haben technisch und spielerisch einfach zu viel Rost angesetzt.
Ich bin aber felsenfest davon überzeugt, dass sich beide Spiele zu einem umfangreichen Remake zusammenfassen ließen. Geschichte, Weltenwechsel und Rätsel sind zeitlose Grundbausteine und könnten mit moderner Technik richtig glänzen. Vielleicht zaubert uns jemand eines Tages eine durch und durch zeitgemäße Interpretation. Ich würde mich sehr darüber freuen.
Überblick
Pro
- neue Texturen in hoher Auflösung
- 60 Bilder pro Sekunde
- präzisere Steuerung
- viele Bonusinhalte, darunter spielbare Level
Contra
- beide Titel spielerisch veraltet
- überschaubares Grafik-Upgrade bei Soul Reaver 2
- keine Komfortfunktionen, beispielsweise Markierungen
- keine moderne Schnellspeicher-Funktion